„Ich bin auch ohne Kehlkopf kommunikativ“ - Innovative Stimmprothese der Freudenberg Gruppe ermöglicht Thomas Müller das Sprechen
In Deutschland leben rund 20.000 Menschen ohne Kehlkopf. Die häufigste Ursache ist Kehlkopfkrebs. Nach der Kehlkopfentfernung sind Atem- und Speiseweg völlig voneinander getrennt. Die Luftröhre wird in die Halshaut eingenäht und es entsteht eine Öffnung – das sogenannte Stoma – durch die fortan ausschließlich geatmet wird. Nach diesem Eingriff ist herkömmliches Sprechen nicht mehr möglich. Das hat auch Thomas Müller erlebt. Nach seiner zweiten Krebserkrankung wurde ihm 2006 der Kehlkopf entfernt. Dass der Neunundfünfzigjährige aus Waldfischbach in der Südwestpfalz wieder sprechen kann, verdankt er einem Einwegventil zwischen Luft- und Speiseröhre, Stimmprothese oder Stimmventil genannt. „Nach der Diagnose war ich sauer auf die ganze Welt. Heute bin auch ohne Kehlkopf kommunikativ“, so Müller. „Mit der Prothese komme ich gut zurecht, sie ist ein Teil von mir. Reinigung und Wechsel sind für mich so selbstverständlich wie Zähne putzen.“ Möglich macht das moderne und innovative Medizintechnologie der Freudenberg Gruppe: Die Geschäftsgruppe Freudenberg Medical entwickelt und produziert unter der Marke InHealth Stimmprothesen.
„Ich lebe im Hier und Jetzt und bin dankbar für jeden Tag“, sagt Müller. | Foto: Bundesverband Medizintechnologie
„Natürlich hat die Krankheit mein Leben verändert. Ich lebe im Hier und Jetzt und bin dankbar für jeden Tag. Materielle Dinge sind nicht mehr so wichtig“, sagt Müller. Auf seinem Oberarm sind drei Jahreszahlen eintätowiert: Sein Geburtsjahr 1957 und die Jahreszahlen 1981 und 2006, in denen er die Krebserkrankungen überstanden hat. „Zwei Krebserkrankungen zu überstehen ist ein Wunder.“ Müllers Stimme klingt rau, ist aber gut zu verstehen. „Die Frequenz der Stimme ist niedriger, das ist besonders für Frauen ein Problem. Erstmal war es neu, dass sich viele Menschen umgedreht haben, wenn sie meine Stimme zum ersten Mal gehört haben“, sagt er. Eine Alternative zur Stimmprothese ist das Erlernen der Ruktussprache. Das bedeutet das Verschlucken und kontrollierte Abgeben von Luft. Dies ist schwer zu erlernen und lässt nur kurze Sätze zu. Ein elektrisch betriebener Tongeber, eine weitere Möglichkeit, ist einfach anzuwenden, klingt aber blechern und unnatürlich.
Wenn Thomas Müller spricht, legt er einen Finger auf den Filter vor dem Stoma, verschließt somit die Luftröhre und das Einwegventil leitet die Luft vom Ausatmen über die Luftröhre in die Speiseröhre und nutzt die Schwingung der Muskulatur als Ersatz für Stimmbänder. „Es gibt auch freihändige Modelle. Mir persönlich gefällt es so besser, da ein Freisprechventil Atemgeräusche erzeugt. Außerdem benötigt das Freisprechventil einen Ansprechdruck, der ein Geräusch erzeugt. Trotzdem gibt es einen großen Vorteil: Ich kann gleichzeitig sprechen und beide Hände benutzen“, so Müller. Das Ventil muss täglich gereinigt werden und wird regelmäßig ausgetauscht. Das erfolgt dann in der HNO-Arztpraxis und dauert nur wenige Minuten.
Aufgrund der Entfernung des Kehlkopfes, atmet Müller ausschließlich über das Stoma. Dadurch gehen die Funktionen der Nasen- und Mundatmung wie die Reinigung, Befeuchtung und Erwärmung der Luft, verloren. Dies übernimmt ein Filter. Auch die Fähigkeit zu riechen geht verloren. Dafür gibt es einen Trick: Der Betroffene erzeugt einen Unterdruck im Mundrachenraum – das sogenannte höfliche Gähnen. Dadurch saugt er Luft in die Nase und regt das Riechgewebe an.
Seine Erfahrungen gibt er an andere Betroffene weiter: In Kaiserslautern hat er eine Selbsthilfegruppe mit dem Namen „Palatina“ für Kopf-Hals-Operierte gegründet, deren Sprecher er ist. Rund 20 Betroffene zwischen 45 und 80 Jahren kommen regelmäßig zu den Treffen. „Wir beraten Betroffene vor und nach der Operation, helfen bei Beantragung von Behindertenausweis und Rente. Auch wenn mich jemand zuerst aus dem Zimmer wirft, lasse ich meine Kontaktdaten da und komme wieder. Jeder braucht seine Zeit, mit der Situation umzugehen“, so Müller. Langfristig möchte er sich im Landes- und Bundesvorstand einbringen, um bessere Strukturen für Patienten zu schaffen.