„Guten Morgen, Hakim“, begrüßt Ausbilder Hagen Braun den jungen Mann mit Pferdeschwanz in der Freudenberg-Lehrwerkstatt. Abdul-Hakim Alekozai ist wie immer der Erste morgens und schon eine halbe Stunde vor Arbeitsbeginn vor Ort. AhmedAl-Hlewaa, Nwachukwu „Samuel“ Ifeanyichukwu, Sami Bachtiar und Stanley Okorie trudeln einer nach dem anderen ein. Während sie sich die blaue Arbeitskluft überstreifen begrüßen sie sich freundschaftlich und tauschen Neuigkeiten aus. Der Zusammenhalt untereinander ist gut, wie der Ausbilder bestätigt. Braun begleitet die jungen Männer bereits seit Oktober 2016. Die fünf machen ein berufsvorbereitendes Praktikum, im September beginnen sie eine technische Ausbildung für Metallberufe bei Freudenberg in Weinheim und den Verbundpartnern Naturin und Faber – finanziert von der Freudenberg-Hilfsaktion für Geflüchtete.
Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren ist eine zentrale Aufgabe für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Als eines der größten Unternehmen der Metropolregion Rhein-Neckar nimmt Freudenberg diese Herausforderung an und bietet Geflüchteten die Möglichkeit, eine duale Berufsausbildung zu machen. Die verbleibende eine Million Euro aus dem Spendentopf – von insgesamt 2,6 Millionen Euro – wird künftig ausschließlich für diesen Zweck eingesetzt. „Unser Ziel ist es, Geflüchteten mit einer fundierten Berufsausbildung langfristige Perspektiven aufzuzeigen“, erklärt Dr. Rainer Kuntz, Leiter der Ausbildung, die Motivation des Unternehmens. „Andererseits lernen auch wir sehr viel.“ Ein regelmäßiger Austausch erweitere den Horizont und ermögliche das Sammeln wertvoller Erfahrungen, so Kuntz. Insgesamt sollen in den kommenden drei Jahren zwölf bis 15 Geflüchtete eine Ausbildung beginnen.
Fachbezogenes Deutsch ergänzt Theorie und Praxis
Die fünf Geflüchteten treffen im ersten Stock der Freudenberg-Lehrwerkstatt im Besprechungsraum ein. Daniel Genswein, Lehrer an der Hans-Freudenberg-Schule, erwartet sie bereits. Er nimmt mit ihnen jeden Morgen die wichtigsten Begriffe durch, die am Vortag während der praktischen Übungen in der Lehrwerkstatt gefallen sind. Neben Büchern und Übungszetteln haben die Auszubildenden ihre Werkstücke mitgebracht: Rohre, die sie miteinander verlötet haben. In den Sommerferien vor dem Ausbildungsstart wird Genswein täglich sechs Stunden Deutsch mit ihnen lernen und sie auch während der Ausbildung weiter unterrichten. „Sagt man, der, die oder das Muffe?“, fragt Samuel. Genswein zögert kurz, auch ihm sind die Fachausdrücke zum Teil nicht geläufig. „Es heißt ‚die Muffe‘“, antwortet er dann. Der Lehrer steht in engem Austausch mit Ausbilder Braun, der ihn mit Fotos aus der Werkstatt versorgt. Im Unterricht benennen sie dann die Motive auf den Fotos: das Kupfer, die Dichtpaste, das Gewinde… „Um einen Beruf richtig zu erlernen, sind fachspezifische Theorie und Praxis ebenso wichtig wie Deutschkenntnisse – schließlich müssen sich die Auszubildenden im Betrieb mit Kollegen austauschen können und in der Lage sein, Dinge zu erfragen“, sagt Genswein.
Berufsausbildung eröffnet Zukunftsperspektiven
Nach dem Deutschunterricht kehren die Geflüchteten ins Erdgeschoss der Lehrwerkstatt zurück. Sie werden mit den anderen Auszubildenden gemeinsam unterwiesen, heute steht für alle Gewinde schneiden auf dem Lehrplan. Da Praktikum und Ausbildung der Geflüchteten aus dem Spendentopf finanziert werden, können ihre Plätze zusätzlich zu den regulären 65 Stellen angeboten werden. Parallel zu den fünf jungen Männern in Weinheim beginnt ein weiterer Geflüchteter ein Duales Bachelorstudium für Maschinenbau. Die Praxisphasen absolviert er am Freudenberg Standort in Kaiserslautern. Unabhängig davon, welche Art der Berufsausbildung sie mit der Unterstützung von Freudenberg machen, die Motivation der Geflüchteten ist ähnlich: „Es ist mir wichtig, meinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen“, sagt Alekozai. Er schiebt sich die Schutzbrille auf den Kopf und gibt den Lötbrenner an Samuel weiter, der als nächstes an der Reihe ist. Dieser nickt zustimmend und ergänzt: „Mit der Ausbildung bekommen wir die Möglichkeit, für uns selbst zu sorgen. Ich habe zum ersten Mal im Leben das Gefühl, mir eine Zukunft aufbauen zu können.“